Die Petitionsteilnahmequote zeigt: Eine Meldung geht im medialen Diskurs völlig unter, die andere zieht eine gesellschaftliche Empörung nach sich.
Nachdem der Entwurf des gekürzten Bundeshaushaltes für 2024 am Montag bekannt gegeben wurde, folgten die Schlagzeilen zur Kappung des Elterngeldes. Auch das Familienministerium war von Budget-Einbußen betroffen, wobei 90 % des Etas gesetzlich gebunden seien. Laut Ministerin Paus musste sie somit an eine gesetzliche Leistung herangehen und das Elterngeld reduzieren. Um diese Aufgabe sozialpolitisch ausgewogen zu erfüllen, wurde die Einkommensgrenze zur Beantragung des Elterngeldes herabgesetzt.
Daneben steht der schon seit Monaten andauernde Streit um die Finanzierung der Kindergrundsicherung. Für deren Finanzierung wurden seitens des BMFSFJ 12 Milliarden Euro einkalkuliert. Ziel der Kindergrundsicherung ist es, Leistungen für Kinder wie das Kindergeld, den Regelsatz für Kinder im Bürgergeld, den Kinderzuschlag sowie Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zusammen zu führen und einkommensschwachen Familien leichter zugänglich zu machen. Aufgrund von Uneinigkeit der Finanzierung wurde die Kindergrundsicherung vorerst aus dem Haushaltsentwurf ausgeklammert und stattdessen mit einem „Merkposten“ für 2025 versehen. Der Gegenvorschlag des Finanzministers: 2 Milliarden Euro.
Während die Kappung des Elterngeldes 60.000 Familien und damit 0,73% der Familien mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren, betrifft, sind knapp 20% aller Kinder in Deutschland armutsgefährdet. Und dennoch ist der gesellschaftliche Aufschrei bezogen auf die Elterngeld-Kappung deutlich höher.
Wieso ist das so? „Die Auswirkung sozialer Ungleichheit unserer Gesellschaft wird in dieser Debatte deutlich sichtbar. Wer besser gebildet ist und ein höheres Einkommen hat, beteiligt sich stärker am politischen Prozess. Armut ist nach wie vor ein hoher Diskriminierungsfaktor in der Lebensrealität vieler Menschen“, erläutert Pauline Krogull, Leiterin des Referats Kinder und Jugend beim AWO Bezirksverband Mittelrhein. „Armut ist schambehaftet, Menschen mit geringem Einkommen beteiligen sich unter anderem auch deshalb weniger am politischen Prozess“.
Der AWO NRW ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf die geplanten Einsparungen bei der Kindergrundsicherung zu lenken. „Im Sinne unserer Grundwerte fordern wir Solidarität mit den von Armut betroffenen Kindern. Gerechtigkeit bedeutet, dass einkommensstarke Eltern, ihre Netzwerke und Reichweiten auch nutzen, Solidarität mit von Armut betroffenen Familien zu zeigen,“ fordert Michael Mommer, Geschäftsführer der AWO NRW.
Die AWO hat 2009 das Bündnis Kindergrundsicherung mitbegründet, das sich seitdem mit einem eigenen Konzept für die Einführung einer echten Kindergrundsicherung einsetzt.