Offener Brief an
Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen
Josefine Paul, Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes NRW
Marcus Optendrenk, Minister der Finanzen des Landes NRW
Herbert Reul, Minister des Innern des Landes NRW
Dr. Benjamin Limbach, Minister der Justiz des Landes NRW
Ernsthaft Handeln gegen Gewalt an Frauen!
Sehr geehrter Ministerpräsident Wüst,
sehr geehrte Ministerinnen und Minister der Landesregierung,
das NRW Netzwerk gegen Gewalt an Frauen warnt eindringlich vor den Folgen der mangelhaften Finanzierung und fehlenden Gesamtstrategie des Landes NRW beim Thema Gewalt gegen Frauen. Angesichts steigender Opferzahlen im Bereich von Gewalt gegen Frauen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt, fordern wir die sofortige Umsetzung wirksamer Maßnahmen:
- Den sofortigen Ausbau und die umfassende Finanzierung von Einrichtungen und Leistungen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Gewalt gegen Frauen.
- Die wirksame Strafverfolgung von Gewalttätern im Feld Gewalt gegen Frauen.
- Eine ernsthafte Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.
1. Finanzierung der Frauenunterstützungseinrichtungen umgehend ausbauen
Viele Einrichtungen stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Frauen und Kinder finden keine Schutzplätze vor Männergewalt, Beratungsstellen haben zu wenig Personal, um den steigenden Bedarfen und Anfragen gerecht zu werden. Schließungen drohen, weil die bisherigen Mittel nicht ausreichen. Gewalt gegen Frauen ist keine Nebensache. Hier geht es um das Grundrecht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Gewalt. Immer mehr Frauen werden getötet, schwer verletzt, misshandelt und vergewaltigt. In solch einer Situation wollen Sie die finanziellen Mittel im Bereich Schutz und Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen im Landeshaushalt um knapp 1,9 Millionen Euro kürzen!
Das Gegenteil ist nötig:
Die Landesregierung muss endlich ernsthaft handeln und die Finanzierung ausbauen. Wir benötigen mehr Frauenhausplätze, mehr Beratungskapazitäten, mehr Kinderschutz und bessere soziale Hilfen.
Wir brauchen aktuell eine sofortige und bedarfsgerechte Anhebung der Förderpauschalen für die nächsten Haushaltsjahre!
Schutz und Unterstützung für alle von Gewalt betroffenen Frauen und ihre Kinder
Viele Frauen werden systematisch an der Inanspruchnahme von Schutz und Hilfe gehindert, weil in einem der reichsten Länder der Welt ausgerechnet die Opfer von Männergewalt für Schutzplätze im Frauenhaus weitgehend selbst aufkommen müssen. Das Beratungsangebot ist völlig unzureichend und soziale Hilfen brechen weg. Dies betrifft alle Frauen und die Notlage verschärft sich insbesondere für Frauen mit Behinderung, Frauen ohne Sozialleistungsanspruch, geflüchtete Frauen und Frauen aus ländlichen Regionen. So bleiben unzählige Frauen und Kinder weiterem Terror durch den Gewalttäter ausgesetzt, mit oft lebenslangen Folgen für die psychische und körperliche Gesundheit.
2. Wirksame Strafverfolgung und Inverantwortungnahme der Täter
Immer mehr Männer misshandeln und vergewaltigen Frauen ohne jegliche strafrechtliche Konsequenz. Täter müssen endlich wirksam zur Verantwortung gezogen werden. Polizei und Justiz sind hierfür personell und sachlich unzureichend aufgestellt. Verfahrenseinstellungen und Verharmlosungen der Taten sind die Folge. Auch die Ausstattung von Täterarbeitseinrichtungen stagniert seit Jahren auf niedrigstem Niveau. Sanktionen und Trainingsangebote müssen effektiv gestaltet werden.
3. NRW braucht eine wirksame Gesamtstrategie gegen Gewalt an Frauen, an der sich ALLE Ressorts substanziell beteiligen
Gewalt gegen Frauen ist nicht normal! Aber durch mangelhaftes Regierungshandeln wird sie normalisiert. Daher fordern wir Sie auf: Handeln Sie endlich ernsthaft gegen Gewalt an Frauen.
NRW braucht eine Gesamtstrategie von Prävention, Schutz, Unterstützung, Intervention, Strafverfolgung, Gesundheitsförderung u.v.m. Und vor allem braucht NRW ein Umdenken in Politik und Gesell- schaft. Hier geht es um den Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte. Antifeminismus, Populismus, Rechtsdruck und die Abwertung von Gewaltopfern stärken Gewalttäter. Das kostet Leben und Milliarden Euro. Haben Sie eine Vorstellung davon, welche ökonomischen Folgen Männergewalt gegen Frauen hat? Die Folgekosten geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen belaufen sich für Deutschland auf etwa 54 Milliarden Euro pro Jahr, laut EIGE-Kostenstudie 2021.
Finanzieren Sie nicht die Täter durch Ihre Einsparungsvorhaben, sondern investieren Sie in den Ab- bau von Gewalt gegen Frauen und in die Prävention. In ALLEN Ressorts!
Wir sagen mit aller Deutlichkeit: So wie bisher geht es nicht weiter!
Jede Frau hat das Recht auf Schutz und Unterstützung. „Private“ Gewalt gibt es nicht. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. In einer föderalen Struktur trägt das Land NRW hier die Verantwortung. Kommen Sie dieser Verantwortung endlich so nach, dass die Mitarbeiterinnen, die in diesem prekären und herausfordernden Arbeitsfeld täglich mit Opfern von Unterdrückung, Diskriminierung, wiederholten Schlägen bis hin zu Folter konfrontiert sind, nicht auch noch Spenden für ihre Arbeit einwerben müssen.
NRW braucht eine sichere, bedarfsgerechte und umfassend finanzierte Schutz- und Unterstützungsinfrastruktur für alle von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder. NRW braucht ernsthafte und wirksame Maßnahmen zum effektiven Abbau der Gewalt gegen Frauen.
JETZT!
Freundliche Grüße Etta Hallenga
für das NRW Netzwerk gegen Gewalt an Frauen
- Landesverband autonomer Frauen-Notrufe NRW e.V. LAG Autonomer Frauenhäuser NRW e.V.
- Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e.V.
- LAG kommunaler Gleichstellungsstellen NRW
- Der Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband NRW e.V.
- Caritasverband für die Diözese Münster e.V.
- Arbeiterwohlfahrt NRW e. V.
- Diakonisches Werk Rheinland-Westfalen-Lippe e.V.